Sonntag, 8. Juli 2012

Europa und die Welt

Bei näherer Betrachtung des 20. und der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts ist nicht zu übersehen, dass die Möglichkeiten einzelner europäischer Staaten, weltpolitisch bedeutendes zu bewegen, stark abgenommen haben und wohl auch weiter abnehmen werden. Europa als ganzes allerdings wäre eine Weltmacht. Würden sich die EU-Staaten zu einem Bundesstaat zusammenschließen, so hätte dieser Staat die drittgrößte Bevölkerung der Welt (nach China und Indien und noch vor den USA), während Deutschland als bevölkerungsreichstes EU-Mitglied erst auf Platz 14 kommt. Ferner wäre der europäische Bundesstaat die bedeutendste Wirtschafts- und Handelsmacht der Welt. Vorausgesetzt, dass sämtliche Überseegebiete der EU-Mitglieder Teil des Bundesstaates werden, wäre ein so geeintes Europa auch in den meisten Teilen der Welt militärisch handlungsfähig, ohne auf die Duldung seiner Stützpunkte durch andere Staaten angewiesen zu sein.
Auch wenn populistische Kräfte gerne gegen die EU wettern und behaupten, im souveränen Nationalstaat wäre alles viel besser, ist doch kaum zu übersehen, dass nur ein geeintes Europa und nicht ein Haufen einzelner, souveräner Nationalstaaten imstande sein wird, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern. Darüber hinaus hat der europäische Integrationsprozess wesentlich dazu beigetragen, die in der Geschichte oft zerstörerischen Feindschaften zwischen den europäischen Staaten durch eine konstruktive Zusammenarbeit zu ersetzen.
Ein demokratischer europäischer Bundesstaat würde ein weltpolitisches Gegengewicht zu den USA bilden - im Gegensatz zum autokratischen Festlandchina mit moralischer Legitimation. Natürlich darf der europäische Bundesstaat nicht gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker, sondern nur in Übereinstimmung mit selbigem errichtet werden. Ferner müsste vermieden werden, dass das vereinte Europa in dieselben Fehler verfällt wie die USA; wenn dies jedoch gelingt, könnte Europa sogar mässigend auf Amerika einwirken und vielleicht auch eine zum Kapitalismus alternative Wirtschaftsform etablieren.

Montag, 2. Juli 2012

Zum Thema Intersexualität

Von der Gesellschaft werden wir dahingehend getrimmt, Geschlechtlichkeit nur als Zweigeschlechtlichkeit (männlich-weiblich) zu denken. Es werden jedoch auch solche Menschen geboren, deren Anatomie aus diesem Schema herausfällt. In Deutschland ist es gesetzlich vorgeschrieben, die Betroffenen durch chirurgische Eingriffe "geschlechtseindeutig" zu machen. Während sich Medien und Gesellschaft gern über Genitalverstümmelung in nicht-westlichen Kulturen empören, wird diese staatlich angeordnete Genitalverstümmelung im eigenen Land nicht einmal zur Kenntnis genommen. Der Grund hierfür liegt einerseits im immer noch in der Gesellschaft verankerten Rassismus/Kulturalismus; andererseits in der Weigerung, die Konstruktion einer angeblich "naturgegebenen" Zweigeschlechtlichkeit aufzugeben. Intersexuelle Menschen stellen durch ihre blosse Existenz dieses Konstrukt infrage; darum wird ihre Anatomie für "krank" erklärt und zwangsweise verändert. Auf diese Weise erspart man der Gesellschaft, ihre tradierten Vorstellungen hinterfragen zu müssen. Offiziell wird der Zwangseingriff natürlich anders begründet. So soll er den Betroffenen "psychische Probleme" ersparen; die bekommen aber viele trotz oder sogar wegen der Operation. Auch wird behauptet, diese Menschen vor Diskriminierung schützen zu wollen(!); aber auch dunkelhäutige Menschen werden in Deutschland häufig Opfer von Diskriminierung, dennoch wäre ihre Zwangsbleichung bei Geburt (technisch durchaus machbar!) völlig zu Recht gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Des weiteren ist es doch sehr fragwürdig, Menschen vor Diskriminierung zu "schützen", indem man sie den Normen anpasst, durch die sie diskriminiert werden, statt zu versuchen, auf das gesellschaftliche Klima einzuwirken, damit die Mehrheitsgesellschaft die Diskriminierung unterlässt.